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Entwicklung von Unten – selbst-definierte Entwicklung

Das Herzstück der MATI Programme machen Bewusstseinsbildung und Existenzsicherung in den MATI-Frauengruppen aus. Die Frauengruppen fungieren als Interessensgruppen, die sich wöchentlich treffen. Innerhalb der Gruppen besprechen die Frauen ihre Lebensumstände und entwickeln Ideen, wie sie ihre Situation verbessern könnten. Währen dieser Treffen werden Vorschläge diskutiert und ausgetauscht, die später als Grundlage für MATI´s Projektvorschläge an mögliche Geber dienen oder uns helfen, bestehende Programme kontinuierlich zu verbessern und den sich ändernden Gegebenheiten besser anzupassen.

thumb_projekte4Wir bilden junge einheimische Frauen und Männer zu SozialarbeiterInnen sog. “Field Motivatoren” aus. Diese geben ihr Wissen in Bereichen wie Gesundheit und Vorsorge, Familienplanung, Hygiene, Ernährung, und Kinderpflege an die Frauen in den MATI-Frauen- Gruppen weiter. Abgesehen davon, dass wir z.B. zeigen, wie und wie oft man sich die Hände wäscht, das Essen in hygienischer Umgebung zubereitet, Wasser abkocht, Durchfall bekämpft etc., haben wir auch mehrere hundert Haushalte mit einfachen Latrinen und Wasserpumpen versorgt.

Mati Frauen mit einem Field Motivator

Mati Frauen mit einem Field Motivator

Ein Field Motivator zeigt Grundhygiene

Ein Field Motivator zeigt Grundhygiene

Die Frauengruppen fungieren auch als Spargruppe. Über das gemeinsame Sparen erhalten die Gruppenmitglieder Zugang zu Darlehen für Einkommen schaffende Maßnahmen wie Nutztiere, eine Rickshaw, ein kleines Geschäft, oder die dringend benötigte Hüttenreparatur, eine anstehende Operation, oder einen Ausbildungskredit für ihre Kinder.

In den Gruppen werden die Frauen über alle MATI-Projekte informiert, aber auch über für sie relevante Angebote anderer NGOs, lokaler Regierungsstellen, Gesundheitszentren, oder Ausbildungsmöglichkeiten.

Bis heute gibt es mehr als 180 Frauengruppen mit jeweils 15 – 25 Mitgliedern. So sind es zusammen ungefähr 4.500 Frauen, die aktiv mit MATI zusammen arbeiten. Im Familienkontext bedeutet das, dass ungefähr 25.000 Menschen von unserer Arbeit profitieren.

Zusätzlich zur grundlegenden, direkten Arbeit mit den Frauen brachte MATI verschiedene Projekte auf den Weg, die die gesamte Familie im Blickwinkel haben:

Bereich Landwirtschaft und Ernährungssicherung

Ziel des von Misereor seit 2004 mitfinanzierten “Gemüsegarten-Projekts” ist es, das Standard-Gericht der Armen “Reis mit Salz und Chili” durch den Anbau von verschiedenen, lokalen Gemüsesorten um entsprechende Vitamine zu bereichern. Kleine Gemüsebeete werden auf sonst ungenutztem Land um das Haus der Familie angelegt. Tüchtigen Frauen gelingt es, Überschüsse für den Verkauf zu erwirtschaften und so das Familieneinkommen teilweise massiv zu steigern.

thumb_projekte_eigener_Gemüsegartenthumb_projekte3Für dieses Projekt erhielt MATI 2004 den Deutschen Unifem Preis, “for being an ideal “good practice” example for empowerment, capacity-building and leading the way to self-help and self-determination”.

MATI-Saatgutbank: Wahrung der Ernährungssouveränität und der Biodiversität

Ein integrativer Bestandteil des Gemüsegarten-Projekts ist eine Saatgutbank, die auf dem MATI-Gelände in Huzurikanda entstanden ist. Das traditionelle Wissen der Frauen, Saatgut herzustellen wurde reaktiviert, und die Frauen können Saatgut über die Saatgutbank miteinander tauschen. Abgesehen davon, dass diese Technik den Frauen effektiv Geld sparen hilft, da sie kein Saatgut mehr kaufen müssen, ist es ein aktiver Beitrag zum Schutz der lokalen Sorten, die immer mehr durch die Saatgutgeschäfte großer internationaler Konzerne bedroht werden.

Von Jahr zu Jahr konnte eine vermehrte Nutzung der Saatgutbank festgestellt werden: Nutzten im ersten Jahr 30% der Frauen die Saatgutbank, um dort eigenes Saatgut zu lagern und zu tauschen, waren es im zweiten Jahr schon 50% und im dritten Jahr über 80%. Die Anzahl der in der Saatgutbank vorhandenen lokalen Varietäten stiegen von 3 Sorten Reis und 4 Sorten Gemüse, auf jeweils 11 einheimische Sorten Reis und Gemüse.

Bereits aus der Projektregion fast verschwundene Bäume wie Neem, Orjun und Beel, die zur Behandlung gängiger Krankheiten und als ökologische Pestizide benutzt werden können, wurden wieder in größeren Mengen angepflanzt und erfreuen sich großer Beliebtheit.

Allgemeine landwirtschaftliche Unterstützung für Kleinbauern

MATI unterstützt in seinem Landwirtschaftsprogramm Kleinbauern- und Pächterfamilien im Sinne nachhaltiger, ökologischer Landwirtschaft. Neben Beratung können die Bauern kleine Darlehen von maximal 50€ bekommen, um die Kultivierungskosten zu decken. Normalerweise müssen die Bauern sich bei den Großgrundbesitzern zum Pflügen der Felder einen Pflug ausleihen – gegen Gebühren. Seine Kühe nimmt fast niemand für diese Arbeit, da die Tiere für die Eigentümer zu wertvoll sind, und sie fürchten, dass durch die harte Arbeit der Gewichtsverlust der Tiere zu hoch ist oder die schon spärliche Milch versiegt. Dank der Stiftung Brücke e.V. konnte MATI nun einen kleinen mechanischen Pflug anschaffen, den sich die Bauern kostenlos ausleihen können. Sie müssen nur das Benzin bezahlen. Auch besser gestellte Bauern aus der Umgebung leihen sich das Gerät, bezahlen dafür aber den regional üblichen Preis. Mit den so eingenommenen Geldern kann MATI eventuelle Reparaturen des Pfluges finanzieren. In der Zeit der Aussaat ist der Pflug auf den Feldern rund ums MATI-Büro viel im Einsatz.

IDAEP – maßgeschneiderte Entwicklungskonzepte für die extrem Armen

In Zusammenarbeit mit Brot für die Welt starteten wir 2006 ein Pilotprojekt für 100 extrem arme Familien (Idaep). Im Rahmen des Projekts stellen wir den Familien zinslose Darlehen in Höhe von 100€ bereit, um kleine private Geschäfte in Gang zu bringen. Außerdem wird Zugang zu Gesundheitsvorsorge, medizinischer Notversorgung und Nahrungsmitteln in Hungerzeiten gewährleistet – so lange bis sie auf eigenen Füßen stehen.

Da die Probleme, mit denen sich die Ärmsten der Armen tagtäglich konfrontiert sehen – Hunger, Krankheit, Unwissenheit, Besitzlosigkeit, Abhängigkeit, Ausbeutung und Verschuldung – so drückend sind, dass sie unter normalen Umständen alles, was sie irgendwie erwirtschaften oder an Hilfsmitteln erhalten, sofort konsumieren, wurde ein spezielles Projekt benötigt, das diese Probleme auf allen Ebenen anpackt.

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Wegen des großen Erfolges konnte im Juli 2007 die finanzielle Unterstützung der GTZ (Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit) für weitere 200 Familien gewonnen werden.

Mittlerweile haben rund 600 Familien von dem Projekt profitiert, und MATI gibt die Idaep-Philosophie gerade an drei lokale Partner weiter, um weitere NGOs im Umgang mit dem Ansatz zu trainieren.

Der Erfolg des Projektes wird mit festgelegten Indikatoren in einem engmaschigen Monitoring-System überprüft. Nachweisbare Erfolge bis dato sind z.B.:

  • In 87% der Familien hat sich die Ernährungssituation entscheidend verbessert, 82% können nun regelmäßig 3 Mahlzeiten pro Tag zu sich nehmen
  • Das Einkommen von 92% der Familien hat sich mindestens verdoppelt
  • Es hat eine Diversifizierung der Einkommensquellen stattgefunden: jede Familie hat nun durchschnittlich 2-3 Einkommensquellen
  • Während zuvor die meisten Familien von Einkommen aus Tagelohn-Verhältnissen lebten, bzw. nicht die Eigentümer ihrer Einkommensquelle (Nutztiere, Rickshaws, Geschäfte u.a) waren, was ihren Verdienst erheblich schmälerte, so hat nach 2-3 Jahren die überwältigende Mehrheit von über 90% ihre eigene Kuh, Rickshaw, Geflügelzucht oder Geschäft. Auch die Anzahl der Familien, die sich Land pachten können, ist stark gestiegen
  • Mehr als die Hälfte der weiblichen Haushaltsvorstände verdient nun ein eigenes Einkommen, bewegt sich auch ausserhalb des eigenen Hofes, und hat nach eigener Aussage größere Mitspracherechte in Familienangelegenheiten
  • Die Hygiene-Verhältnisse haben sich stark gebessert, der Großteil der Familien hat nun eigene Latrinen und Wasserpumpen
  • Die Rate von Kinderheirat ist in den Familien von 21% auf unter 5% gesunken
  • Während zuvor kein Kind aus den Familien einen Schulabschluss der 10. Klasse hatte, gehen nun mehrere Mädchen sogar aufs College

Poronto Bella – Abendröte

Altern in Würde, das ist in Bangladesh für viele ein frommer Wunsch, da es kein staatliches Sozialsystem gibt. Wenn die Kinder nicht für die Eltern aufkommen können, sehen diese im Alter harten Zeiten entgegen.

Die prekäre Situation allein gelassener Greise stach vor allem Christa und Jörg Wahl aus Freiburg ins Auge, als sie uns im April besuchten. Gemeinsam entwickelten wir die Idee einer Förderung zur minimalen Grundversorgung alter Menschen: Poronto Bella. Mit einem Jahresbeitrag von 140 € jährlich verhelfen Sie alten Menschen, zu einem Leben mit etwas mehr Sicherheit und Würde.

MATI & Stiftung Brücke: Millennium Dorf Harguzipara

Im Jahr 2015 wird wahrscheinlich offenbar werden, dass die im Jahr 2000 auf UN- Ebene vereinbarten Millenniumsziele zur Halbierung der weltweiten Armut sehr weit hinter den Vorgaben zurückgeblieben sind.

Wir haben die Vermutung, dass dies nicht unbedingt am Geldmangel liegt, sondern an den falschen Interventionen. Um den Aufwand gering zu halten, wird in zu große Projekte mit fragwürdiger Wirkung investiert. Die Betroffenen, d.h. die Armen, werden zu wenig eingebunden, partizipieren nicht wirklich, und oft stehen korrupte politische Eliten wirklicher Entwicklung im Weg.

Im November 2009 haben wir gemeinsam mit Peter Haas und Bettina Mühlen-Haas von Stiftung Brücke den Grundstein, oder besser die Grundgespräche, für ein neues gemeinsames Projekt gelegt: Das Millennium Dorf.

Ziel ist es anhand eines Dorfes mit beispielhaften “von unten” beschlossenen Maßnahmen zu zeigen, wie wirklich selbst-definierte Entwicklung im Rahmen der UN-Millenniumsziele (MDGs) aussehen könnte.

Wir haben uns für Harguzipara entschieden, da in diesem Dorf noch keine NGO direkt arbeitet, und von den ca. 300 Haushalten knapp 70% arm oder extrem arm sind. In ersten Gesprächen mit der gesamten Dorfbevölkerung haben wir unser Vorhaben erläutert, die Hoffnungen auf einen großen Geldsegen zunichte gemacht, und unsere Erwartung an die aktive Mithilfe der Menschen und die gleichwertige Partizipation von Männern und Frauen zum Ausdruck gebracht. Als wir danach immer noch willkommen waren, konnte die eigentliche Arbeit losgehen.

Als Prioritäten haben die Dorfbewohner die Verbesserung der Sanitäranlagen, den Zugang zu Bildung für die Kinder, und das Schaffen von Einkommensmöglichkeiten für die Frauen festgelegt. Bisher gehen die Kinder höchstens bis zur 5. Klasse in die Schule. Während die Männer überwiegend als Tagelöhner auf dem Bau in Mymensingh oder Dhaka beschäftigt sind, gibt es für Frauen kaum Arbeitsmöglichkeiten. Da fast niemand eigenes Land besitzt, und die Wohnverhältnisse sehr beengt sind, entfallen auch die typisch weiblichen Erwerbsmöglichkeiten wie Tiere halten oder einen Gemüsegarten anlegen.

Als erster Schritt wurde nun ein Community-Center gebaut, das als Raum für Versammlungen, als Klassenzimmer für eine Vorschule, Abendschule und Nachhilfering, sowie als Trainingsraum für eine Nähausbildung dienen soll. Das Land für das Zentrum wurde von einer Dorfbewohnerin gestiftet, beim Bau mit Hand angelegt haben viele Familien.

Die Lehrerin für die Vorschule und die Ausbilderin für den Nähkurs sind ebenfalls Frauen aus dem Dorf. Die Frauen die den Kurs absolvieren, dürfen hinterher die Nähmaschine mit nach Hause nehmen und bekommen zudem ein Darlehen als Startkapital für ihre eigene Schneiderei. Das Interesse an der Ausbildung ist sehr groß.

Es haben sich fünf Spargruppen für Frauen gegründet, die anfangs noch von MATI betreut werden, allerdings mit dem Ziel, binnen der nächsten 5 Jahre unabhängig zu operieren. Die Frauen sparen gemeinsam in einen Topf aus dem sie Kredite an die Gruppenmitglieder vergeben. Hier ist die Skepsis der Frauen noch groß, und nur die Zeit wird zeigen, ob das Konzept funktionieren wird.

In den nächsten Monaten sollen erstmal 25 einfache Toiletten und drei Gemeinschaftswasserpumpen installiert werden. Zudem gibt es einen Gesundheitsfonds für die Dorfbewohner, um behandelbaren Krankheiten zu Leibe zu rücken, und insbesondere die Gesundheit von jungen Müttern, Schwangeren und Neugeborenen zu verbessern.

Gleich zu Beginn haben wir die Situation des Dorfes durch eine detaillierte Haushaltsbefragung analysiert. So haben wir eine breite Datenbasis gewonnen, die uns Einblicke in die Armutsstruktur, das Bildungs- und Gesundheitsniveau, die Arbeits- und Einkommensverhältnisse liefert. Dies macht es uns möglich, die Fort- und eventuell auch Rückschritte des Dorfes gut und transparent zu dokumentieren. Bisher werden alle Maßnahmen von Stiftung Brücke finanziert.

Basisgesundheit

Impfkampagne gemeinsam mit der bengalischen Regierung

Alle MATI-Büros sind Impfstationen, an denen mehrmals im Monat Gesundheitspersonal der bengalischen Regierung die Grundimmunisierungen, besonders für Kinder und junge Mütter anbietet.

Gesundheitsfond

Der MATI Gesundheitsfond ist eine rein durch Privatspenden betriebene Einrichtung, die es uns ermöglicht schnell und unbürokratisch dringend benötigte ärztliche und medizinische Versorgung für die Ärmsten bereitzustellen. Menschen in Not wenden sich an unsere MitarbeiterInnen, und nach einer schnellen Prüfung des individuellen Falles vermitteln wir kostengünstige Behandlungen, begleiten ins Krankenhaus, wo Behandlung nur gegen Bargeld erfolgt, was die Ärmsten meist nicht haben, oder geben wichtige Medikamente aus. Pro Monat erhalten ca. 15 Personen finanzielle und logistische Hilfe beim Arztbesuch, weitere 120 Menschen können über unsere Büros dringend benötigte Medikamente erhalten.

Ausbildungszentren

An jedem Projektstandort betreibt MATI auch diverse Ausbildungszentren. So gibt es eine thumb_projekte_Jasmin_und_ihre-NäherinnenNähausbildung, ein Computertraining, eine Ausbildung zur Büroangestellten, sowie diverse Trainingsgänge für landwirtschaftliche Programme, und ab 2011 auch eine Schreinerei-Ausbildung.

Gemeinsam gegen die Klima-Erwärmung: Das Projekt “Breath for the Planet”

Bangladesh ist eines der Länder, die voraussichtlich am stärksten vom Klimawandel betroffen sein werden. Auch wenn die Verursacher der Probleme, unter denen Bangladesh im Zuge der Klimaerwärmung leiden wird, in den Industrieländern zu suchen sind, gibt es in Bangladesh eine immer breiter werdende Mittelschicht, die in ihrem Lebensstil und ihren Konsummustern unreflektiert dem schlechten Vorbild der “entwickelten” Staaten folgt, und somit zu einer weiteren Verschärfung der Problematik beiträgt. Mit diesem Projekt wendet sich die Bildungsarbeit von Mati diesmal nicht primär an die Armen, sondern an die “Reichen”.

So haben wir eine Wanderausstellung konzipiert, die über Ursachen und Auswirkungen des Klimawandels weltweit informiert. An Schulen und Universitäten im Raum Mymensingh, und mit einem mobilen Open-Air Kino zeigen wir den Film “HOME”, und diskutieren anschliessend mit den Zuschauern, worin die Verantwortung eines jeden einzelnen liegt, und mit welchen kleinen Schritten im Alltag jede/r dazu beitragen kann, klimaschädliche Verhaltensweisen zu reduzieren. Von Seiten der Öffentlichkeit besteht ein großes Interesse am Thema, und so wird das “Mati-Klima-Team” oft zu Veranstaltungen eingeladen, mit der Bitte, Film und Ausstellung zu zeigen.

Um es aber nicht beim Reden zu belassen, haben wir im Sommer begonnen, gemeinsam mit den Mati-Frauen, Bäume zu pflanzen, um so die grüne Lunge Bangladeshs beim Atmen zu unterstützen. Jedes Mati-Mitglied wird einen Baumsetzling ihrer Wahl (Obst-, Medizin-, oder Nutzholzbäume) erhalten, den sie im Bereich ihrer Hütte pflanzt. So profitiert nicht nur das Klima, sondern auch die Familie, die die Früchte der Bäume ernten kann.

“Suppenküche” Sankipara

Seit 2006 sind die Menschen in Sankipara, wo sich das Mati Hauptbüro befindet, jeden Donnerstag zu einem gemeinsamen, kostenlosen Mittagessen eingeladen. Es kommen vor allem Mütter mit Kindern und alte Menschen. Waren es in den ersten Wochen dreißig, so zählen wir nun regelmäßig über hundert Gäste. Eine alte Frau sagte uns einmal: “Das Essen bei Mati ist ein Fest, auf das ich mich jede Woche freue.” Das gemeinsame Essen ist eine gute Gelegenheit, mit den Menschen vor unserer Haustür in Kontakt zu bleiben, und ihnen auf Augenhöhe, bzw. Tellerhöhe zu begegnen. Die Verköstigung von über hundert Menschen kostet rund 10-12 € pro Donnerstag.

Stadtteilmüllabfuhr Sankipara

Nebenbei konnte Mati nun den Betrieb der Stadtteilmüllabfuhr in Sankipara wieder aufnehmen, der sich 100 Haushalte angeschlossen haben. Gegen eine kleine monatliche Gebühr wird der Hausmüll täglich von einer zum Müllwagen umgebauten Fahrrad-rickshaw abgeholt und auf die Deponie gebracht. Wir hatten 2008 die Arbeit aussetzen müssen, da die Müllrickshaw durchgerostet und kein Geld für eine neue vorhanden war. Unterstützt wird Mati von 30 – 50 Kindern und Jugendlichen im Alter zwischen 5 und 25 Jahren, die ihre Nachbarn regelmäßig mit kleinen Aktionen motivieren, die Gegend sauber zu halten.

Physiotherapie

Seit 2010 kommen regelmäßig junge Physiotherapeutinnen für längere Arbeitsaufenthalte zu Mati. Kinder, etwa mit Klumpfüßen oder einer Halbseitenlähmung werden regelmäßig betreut. Des Weiteren gehören viele Rückenpatienten, Querschnitt- oder Schlaganfallpatienten dazu. Sie alle können sonst keinerlei Therapie bekommen, da Physiotherapie in Bangladesch relativ unbekannt oder kostspielig ist.

Medizinisches Kompetenzzentrum Huzurikanda (MKHZ)

Seit Anfang 2017 wird MATI von der Stiftung Brücke Balingen Bangladesh beim Aufbau eines medizinischen Kompetenzzentrums am Standort Huzurikanda unterstützt. Hier sollen die Fäden von MATIs Gesundheitsarbeit zusammengefügt werden.
So konnte ab April 2017 mit dem Aufbau einer Optikerausbildungswerkstatt begonnen werden. 5 junge Azubis lernen unter fachkundlicher Anleitung durch deutsche Senioren-OptikerInnen das Handwerk, um so Brillen eigenständig anpassen zu können – zu einem Preis, den sich auch Arme leisten
können.

Zudem wird auch die Arbeit von MATI im Bereich Augenheilkunde durch Reihenuntersuchungen mit Diagnostik und anschliessende medikamentöse Behandlung oder Operationen im Augenkrankenhaus Mymensingh durch die Stiftung Brücke Balingen Bangladesh mitfinanziert.

Kooperation mit der Caritas Schweiz und Luxemburg: Kindertagesstätten in
Mymensingh

Als Bashona ungeplant das dritte Kind bekam, musste sie ihre Arbeitstelle in einem Haushalt in Mymensingh aufgeben, da sie das Baby nicht mit zur Arbeit bringen konnte. Nun fehlte aber ihr Einkommen, denn ihr Mann verdiente als Schuhmacher kaum genug zum Überleben. Dann wurde auch noch das Baby krank und musste ins Krankenhaus.

Also entschied Bashona, dass ihre älteste Tochter die Schule abbrechen würde, um zu Hause beim Baby zu bleiben, während sie wieder arbeiten ging. Vor diesem Dilemma stehen viele Mütter aus den ärmsten Familien in Mymensingh: Oft sind sie vom Land in die Stadt abgewandert und verfügen dort nicht über das soziale Netzwerk der Großfamilie, die die Kinderbetreuung regelt. Die Frauen müssen arbeiten, um ihren Familien das Überleben zu sichern. Entweder werden die Kinder sich selbst überlassen, während die Mütter außer Haus sind, oder eine ältere Tochter kann ihre Schulausbildung nicht fertig machen, da sie sich stattdessen um die jüngeren Geschwister kümmern muss. Mädchen, die selbst nicht zur Schule gehen konnten, werden oft bereits im Teenager-Alter die Mütter der nächsten Generation in Armut.

MATI hat in der Stadt Mymensingh nun seit 2015 gemeinsam mit der Caritas Schweiz und Caritas Luxemburg (Förderung bis Juli 2018) sehr erfolgreich acht Kindergärten aufgebaut, die Kinder aus den städtischen Slums nicht nur einen sicheren Ort bieten, an dem sie Kind sein können, während ihre Mütter arbeiten, sondern auch dabei helfen, Entwicklungsdefizite, die sie aufgrund der Armut erleiden, auszugleichen. So werden sie auf den Übertritt in die Regelschule vorbereitet. Das Konzept dazu nennt sich „Essence of Learning“, was man mit „Das Wesen des Lernens“ übersetzen könnte. Es wurde von der Schweizer Expertin für frühkindliche Entwicklung Beatrice Rutishauser Ramm entwickelt, die diesen Ansatz seit vielen Jahren in diversen Krisenländern der Welt an lokales Personal weitervermittelt. Der Kerngedanke ist, dass wenn Kinder in der Kindheit aufgrund externer Faktoren (Krieg, Armut, Flucht, etc.) nicht durchs Spielen bestimmte Entwicklungsschritte vollziehen konnten, sie später in der der Schule nicht lernen können, weil ihr Gehirn die dazu benötigten Verknüpfungen nicht bilden konnte. Daher muss Kindern ermöglicht werden, dass sie ihrem Entwicklungsstand gemäß sich adäquat spielerisch betätigen können und verlorene Entwicklungssprünge nachholen können.

Jeder Kindergarten bietet Platz für zwanzig Kinder im Alter von eins bis sechs Jahren. Die Betreuerinnen werden von der Caritas geschult.
Die gemieteten Räume sind kindergerecht ausgestattet. Es gibt z.B. Holztische die so niedrig sind, dass die Kinder zum Malen auf dem Boden sitzend an ihnen arbeiten können, die aber auch, wenn Platz für den Singkreis oder Bewegungsspiele gebraucht wird, einfach in einer Ecke übereinander gestapelt werden können. Die MATI Schreinerei hat Sets von Bauklötzen und Holztieren angefertigt, und die Näherinnen haben Puppen aus Stoff hergestellt. Teil des Konzepts ist auch, dass alles Material möglichst lokal verfügbar und kostengünstig ist, denn der Kindergarten soll nicht ein „teurer Ort“ sein, sondern an die Verhältnisse zu Hause angepasst. Daher wird auch viel mit Recyclingmaterial gearbeitet und die Eltern helfen mit, dieses zu sammeln.

Dies ist ihr Beitrag zur Bildung ihrer Kinder, neben einer kleinen Monatsgebühr, die ihrem Einkommen angepasst wurde.

Die Betreuerinnen sind junge Frauen aus den Vierteln, aus denen auch die Kinder kommen, die sie betreuen. So kennen sie die Familien und die Probleme, mit denen sie tagtäglich zu kämpfen haben. Gleichzeitig bieten die Kindergärten solchen jungen Frauen eben die Möglichkeit eine qualifizierte Ausbildung zu machen und so ein regelmässiges
Einkommen zu verdienen, womit sie ihre eigene Familie unterstützen können.

Die Ausbildung besteht aus einem 4- tägigen Theorie-Kurs, an den sich eine 3-monatige Praxis-Phase in einem bereits bestehenden Kindergarten anschliesst.

Die Kinder verbringen an 6 Tagen jeweils bis zu acht Stunden in der Gruppe. Sie werden morgens von ihren Müttern gebracht. Der Tag in der Gruppe beginnt mit einem Morgenkreis mit der Begrüßung jedes einzelnen Kindes. Im Anschluss werden gemeinsam Lieder gesungen und mit kleinen Bewegungsspielen verknüpft, die zur allgemeinen Körperwahrnehmung und Erlernen eines Körpergefühls beitragen. Daran schließt sich dann das jeweilige kreative Tagesprogramm an, das im Kontext eines Wochenthemas steht und sich am Rhythmus der Jahreszeiten und einheimischen Feste und Traditionen orientiert. Für den Übergang in die Grundschule Anfang Januar lernen die großen Kinder natürlich auch das Alphabet, aber eben erst, nachdem sie sich spielerisch darauf vorbereitet haben. Zählen und kleine Rechenaufgaben können die Kinder auch problemlos lösen, schliesslich spielen sie oft „Einkaufen auf dem Markt“.

Alle Kinder der MATI Kindergärten schaffen mit 6 Jahren problemlos den Übergang in die staatliche Grundschule und bekommen von den Lehrerinnen dort bescheinigt, was Verständnis, Konzentration und Disziplin anbelangt, ihren Altersgenossen voraus zu sein.

Langfristig plant MATI bis Mitte 2021 eine offizielle Registrierung der Betreuerinnen Ausbildung bei der bengalischen Regierung zu erreichen, was den Wert der Ausbildung für die Auszubildenden deutlich steigern würde. Zudem soll mit dem Konzept der Tagespflege (Homecare) experimentiert werden, um dezentral Kosten zu senken und weitere Arbeitslätze direkt in den betroffenen Communities zu schaffen.

Gleichzeitig arbeiten wir daran, dass die bengalische Regierung ihrer Verpflichtung nachkommt, arbeitende Mütter besser zu unterstützen, indem sie sich an der Finanzierung für die Kindergärten beteiligt. Das Resultat dieses Prozesses ist aber ungewiss.

Derzeit unterhält MATI acht Kindergärten in Mymensingh, sowie drei in den umliegenden Dörfern, einer davon konzentriert sich auf Kinder mit Behinderungen – der in Huzurikanda.

Da die Caritas Schweiz seit diesem Jahr die Kindergärten nicht mehr voll finanziert, steht MATI vor der schwierigen Aufgabe, den Fehlbedarf aus anderen Quellen zu finanzieren.

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